Chronik

In den 1980er Jahren entstehen - wie in der gesamten DDR - in den drei Nordbezirken Neubrandenburg, Rostock und Schwerin oppositionelle Gruppen, die sich für eine Demokratisierung in der DDR einsetzen und insbesondere zu Themen wie Umwelt und Frieden positionieren. Zunehmend protestieren Menschen öffentlich für eine schnellere Entscheidung ihrer Ausreiseanträge in die Bundesrepublik.

Eine Chronologie der Ereignisse, beginnend mit dem Abbau der Überwachungsanlagen an der ungarischen Grenze und den Kommunalwahlen im Mai 1989 bis hin zu den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990, finden Sie hier:

17. Januar 1988

Auf der staatlich organisierten Gedenkkundgebung für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in Berlin fordern etwa 200 Bürgerrechtler mit dem Luxemburg-Zitat „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ Meinungsfreiheit in der DDR ein. Die anschließende Verhaftungswelle führt zu zahlreichen öffentlichen Solidaritätsbekundungen.

5. April 1989

Wiederzulassung der polnischen freien Gewerkschaft Solidarność. Im Vorfeld hatte die kommunistische Parteiführung seit August 1988 informelle Gespräche mit der verbotenen Gewerkschaft geführt und ab 6. Februar 1989 Gespräche am Runden Tisch.

2. Mai 1989

Die Regierung Ungarns beginnt mit dem Abbau der Grenzanlagen zu Österreich, im sogenannten Eisernen Vorhang klafft erstmals eine Lücke. Tausende Ostdeutsche reisen daraufhin nach Ungarn, einige warten in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest, andere in der Nähe der Grenze auf eine günstige Gelegenheit zur Ausreise. Legal können sie die Grenze nicht passieren, denn noch hindern ungarische Polizisten viele an der Flucht. Im Laufe des Sommers kommt es zu weiteren Botschaftsbesetzungen in Prag und Warschau.

7. Mai 1989

Bei den Kommunalwahlen in der DDR stimmen angeblich 98,77 % für die Kandidaten der Nationalen Front, den Zusammenschluss aller Parteien unter der Führung der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Erstmals überwachen Bürgergruppen auch im Norden der DDR die Stimmenauszählung und überführen die SED der Fälschung der Kommunalwahl.

Die Fluchtwelle nach Ungarn hält an.

3./4. Juni 1989

In Peking wird der chinesische Volksaufstand auf dem Tian’anmen-Platz gewaltsam niedergeschlagen. Auch Bürgerrechtler aus den Nordbezirken protestieren gegen die sogenannte „chinesische Lösung“.

4. und 18. Juni 1989

Im Ergebnis der Rund-Tisch-Gespräche finden in Polen teilweise freie Wahlen statt, die von den Kandidaten des „Bürgerkomitees Solidarność“ mit überwältigender Mehrheit gewonnen werden. Sie erhalten jedoch nur die zuvor ausgehandelten 35 Prozent der Parlamentssitze.

Immer mehr DDR-Bürger versuchen über Ungarn nach Österreich zu fliehen. Viele werden zwar auf ungarischer Seite noch festgenommen, aber immer seltener an die DDR ausgeliefert.

23.-29. Juli 1989

Alternative Gruppen treffen sich zu einer Sommerakademie in Stuer-Winkel, Kreis Röbel. Einige der dort Anwesenden denken darüber nach, eine sozialdemokratische Partei in der DDR zu gründen.

Im Osten Mecklenburgs findet – wie schon in einigen Jahren zuvor – ein oppositionelles mobiles Friedensseminar statt, u.a. auch in Mölln, Kreis Altentreptow.

19. August 1989

Das „Paneuropäische Picknick“ an der Grenze zwischen Ungarn und Österreich wird von über 600 DDR-Bürgern zur Flucht genutzt.

24. August 1989

Der polnische Sejm wählt mit Tadeusz Mazowiecki von der freien Gewerkschaft Solidarność den ersten nicht kommunistischen Ministerpräsidenten Polens nach dem Zweiten Weltkrieg.

4. September 1989

Beginn der Leipziger Montagsdemonstrationen unter der Losung „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ mit etwa 1.200 Demonstranten. Diese Demonstration wird wie die folgenden gewaltsam beendet und viele Teilnehmer werden verhaftet.

9./10. September 1989

Gründung der Bürgerbewegung „Neues Forum“ in Grünheide bei Berlin. Aus dem Norden ist der Schweriner Martin Klähn dabei und sammelt in den folgenden Tagen Unterschriften von Unterstützern. In vielen Städten und Gemeinden im Norden entstehen in der Folge oppositionelle Gruppen.

11. September 1989

Nach Grenzöffnung zwischen Ungarn und Österreich flüchten tausende DDR-Bürger.

12. September 1989

Die Bürgerinitiative „Demokratie jetzt“ veröffentlicht in Berlin ihren Gründungsaufruf.

14. September 1989

Gründung des „Demokratischen Aufbruchs“ in Berlin.

18. September 1989

Martin Klähn und Uta Loheit stellen DDR-weit den ersten Antrag auf Zulassung des „Neuen Forums“ beim Rat des Bezirkes Schwerin. Die Anmeldungen für 10 weitere Bezirke folgen am 19. September 1989.

30. September 1989

Der bundesdeutsche Außenminister Genscher verkündet den über 4.000 seit Wochen in der Prager Botschaft ausharrenden DDR-Bürgern, dass sie in die Bundesrepublik ausreisen dürfen.

2. Oktober 1989

In der Schweriner Paulskirche findet mit etwa 1.000 Teilnehmern die erste öffentliche Veranstaltung des „Neuen Forums“ in der DDR statt. Es formieren sich thematische Basisgruppen. Auswärtige Teilnehmer tragen den Impuls zur Gründung von Basisgruppen in ihre Heimatorte.

3. Oktober 1989

Die DDR schließt die Grenze zur Tschechoslowakei, um die Ausreisewelle über Ungarn zu stoppen.

4. Oktober 1989

Bei der Durchfahrt der Sonderzüge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen kommt es auf dem Dresdner Hauptbahnhof zu Ausschreitungen, die gewaltsam beendet werden.

5. Oktober 1989

In einer Fürbittandacht in der Petrikirche Rostock solidarisieren sich über 600 Teilnehmer mit den inhaftierten Leipziger Demonstranten.

6. Oktober 1989

Die ursprünglich als Stadtjugendabend geplante Veranstaltung wird mit 1.500 Teilnehmern in der Schweriner Paulskirche zur Information über die entstehende Bürgerbewegung genutzt. Mehr als 200 SED-Genossen werden von ihrer Parteileitung geschickt, um zu stören und zu provozieren.

7. Oktober 1989

Gewaltsame Auflösung von Protesten anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR in Berlin und anderen Städten. In Plauen im Vogtland findet mit etwa 20.000 Teilnehmern die erste Großdemonstration in der DDR statt, die nicht mehr gewaltsam aufgelöst werden kann. In Rostock unterzeichnen in der Petrikirche 500 Teilnehmer eine politische Erklärung. In Schwante bei Berlin kommt es zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP).

9. Oktober 1989

Die friedlich verlaufende Montagsdemonstration mit etwa 70.000 Teilnehmern in Leipzig mit den Sprechchören „Wir sind das Volk“ ermutigt zahlreiche Menschen in der ganzen DDR, öffentlich für Reformen, für Demokratie und Freiheit einzutreten.

11. Oktober 1989

Friedensgebet mit 250 Teilnehmern in der Neubrandenburger Johanniskirche. Erste öffentliche Veranstaltung des „Neuen Forums“ Rostock mit 500 Teilnehmern in der Michaeliskirche.

16. Oktober 1989

Ein Schweigemarsch von 300 Menschen mit Kerzen in Waren (Müritz) zwischen der Georgen- und der Marienkirche ist die erste größere Demonstration im Norden.

18. Oktober 1989

Egon Krenz löst Erich Honecker als Parteichef ab und verspricht eine „Wende“ einzuleiten. In Greifswald gehen 800 Menschen mit Kerzen auf die Straße. In Neubrandenburg schließen sich 5.000 Teilnehmer einem Schweigemarsch an. In der Dorfkirche Proseken bei Wismar beteiligen sich 2.000 Menschen an einer oppositionellen Veranstaltung.

19. Oktober 1989

10.000 Menschen demonstrieren in Rostock. 1.500 Menschen versammeln sich in der Marienkirche in Röbel.

21. Oktober 1989

Demonstration von mehreren tausend Menschen in Rostock.

23. Oktober 1989

Mehr als 40.000 Demonstranten schließen sich in Schwerin dem Aufruf des „Neuen Forums“ an und wenden sich teilweise von der zeitgleich am gleichen Ort von der SED und den Blockparteien anberaumten Gegenkundgebung ab.

Der ungarische Präsident Mátyás Szűrös erklärt das Ende der Volksrepublik Ungarn und proklamiert einen demokratisch verfassten Rechtsstaat, die Republik Ungarn.

24. Oktober 1989

In Rostock und Schwerin finden erste Dialogveranstaltungen der Bürgerbewegung mit Funktionären der SED, der Blockparteien und aus der Verwaltung statt.

Wie nahezu flächendeckend in der ganzen DDR demonstrieren im Norden in den Städten und auch auf dem Land Tausende für demokratische Reformen, für Reisefreiheit, aber auch zunehmend für eine Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. In den Städten und Gemeinden der Nordbezirke werden zahlreiche Gesprächsrunden und Dialogveranstaltungen von Bürgern mit den lokalen Parteileitungen und Verwaltungen einberufen.

3. November 1989

Der Schweriner SED-Bezirkschef Heinz Ziegner tritt zurück. Am 12. November 1989 folgt der Rostocker SED-Bezirkschef Ernst Timm und am 14. November 1989 der Neubrandenburger Johannes Chemnitzer.

4. November 1989

Etwa 500.000 Menschen demonstrieren auf dem Berliner Alexanderplatz für demokratische Reformen.

6. November 1989

Das auf Anregung des „Neuen Forums“ in Güstrow anberaumte Treffen von Vertretern des Staatsapparats, der Kirchen, Parteien und der Bürgerbewegung gilt als einer der ersten Runden Tische in der DDR.

7. und 8. November 1989

Wegen der nicht nachlassenden Proteste treten die DDR-Regierung und am Folgetag auch das SED-Politbüro zurück. Die Einwohner des von den Absperrungen der DDR-Staatsgrenze und des Sperrgebiets eingeschlossenen Elbgemeinde Rüterberg erklären sich zur Dorfrepublik.

9. November 1989

Günther Schabowski kündigt in einer Pressekonferenz mit einem neuen Reisegesetz die künftige Reisefreiheit für DDR-Bürger an. In der Nacht werden auf Druck der anströmenden Bürger die Grenzübergänge in den Westen geöffnet.

13. November 1989

Hans Modrow wird zum neuen Ministerpräsidenten der DDR gewählt.

18. November 1989

Die Regierung Modrow aus Mitgliedern von SED, Blockparteien und Massenorganisationen wird vereidigt.

1. Dezember 1989

Die Volkskammer streicht den Führungsanspruch der SED aus der DDR-Verfassung.

3. Dezember 1989

An der Menschenkette „Ein Licht für unser Land“ durch die ganze DDR beteiligen sich Menschen in Altentreptow, Greifswald, Güstrow, Jarmen, Malchin, Neubrandenburg, Neustrelitz, Rostock, Stavenhagen, Stralsund und Teterow.

4. und 5. Dezember 1989

Beginnend in Erfurt besetzen Bürgerrechtler in der ganzen DDR die Stasi-Dienststellen, um die Aktenvernichtung zu stoppen.

7. Dezember 1989

Einberufung des Zentralen Runden Tisches in Berlin. Weitere Runde Tische konstituieren sich in der Folge in Städten, Kreisen und Bezirken.

5. Februar 1990

Modrow nimmt in „Regierung der nationalen Verantwortung“ Vertreter der Oppositionsgruppen als Minister ohne Geschäftsbereich auf.

18. März 1990

In der ersten freien Volkskammerwahl siegt mit über 48 Prozent der Stimmen die „Allianz für Deutschland“. Damit sind die Weichen in Richtung Wiedervereinigung gestellt. Die im „Bündnis 90“ vereinten Bürgerbewegungen erreichen lediglich 2,9 Prozent.